Ja, ich will Euch tragen, ein Sylvesterlied, von Ursula Steinike
Auf der Grundlage des Bibelwortes „Ja, ich will euch tragen, bis ins Alter und bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will es tun, ich will heben und tragen und erretten“, Jesaja 46, 4, schrieb Jochen Klepper ein feinsinniges Lied.
Im Originaldruck (19.6.1938) trägt es die Überschrift Sylvesterlied. Es ist aber auch das einzige Gesangbuchlied, das sich mit dem Älterwerden befasst. Das alte Jahr als auch die vergangene Lebenszeit sind reifer geworden. Zum Ende eines Jahres, zum Ende des Lebens, wird im Rückblick das Positive als auch das Negative gegeneinander aufgewogen. Auf das kommende Jahr wird geschaut, was wird es uns bringen. In allen Strophen wird gesungen, was Gott uns auf den Weg ins Jahr, ins Altwerden, mitgibt. Ein Kernwort des Liedes ist das Wort „tragen“. Gott trägt die Seinen wie eine Mutter ihr Kind, und wir sollen uns tragen lassen, sollen „Kinder sein als Greis“.
Ja, ich will euch tragen bis zum Alter hin.
Und ihr sollt einst sagen, dass ich gnädig bin.
Ihr sollt nicht grauen, ohne dass ich’s weiß,
müsst dem Vater trauen, Kinder sein als Greis.
Ist mein Wort gegeben, will ich es auch tun,
will euch milde heben: Ihr dürft stille ruhn.
Stets will ich euch tragen recht nach Retterart.
Wer sah mich versagen, wo gebetet ward?
Denkt der vor’gen Zeiten, wie, der Väter Schar
voller Huld zu leiten, ich am Werke war.
Denkt der frühern Jahre, wie auf eurem Pfad
euch das Wunderbare immer noch genaht.
Lasst nun euer Fragen, Hilfe ist genug.
Ja, ich will euch tragen, wie ich immer trug.
„Hilfe ist genug!“ Die Hilfe muss nur angenommen werden. Der Weg zu Gott ist weit. In der heutigen Zeit scheint er immer weiter zu werden. Die Boten Gottes, die Engel, verkürzen den Weg zu ihm. Engel sind himmlische Wesen, mit ihnen verbinden wir die Sehnsucht nach einer Welt der Geborgenheit. Sie sind unsere Schutzengel. Sehr viele Menschen glauben an Engel, weitaus mehr als an Gott. Engel werden als positive Wesen dargestellt, zu denen man gern Kontakt haben würde. Viele Menschen möchten selbst sein wie ein Engel. Und noch mehr Menschen hoffen auf einen helfenden Engel für sich. Die Engel sind den Menschen sehr ähnlich. Und die Menschen den Engeln. Allen ein gesegnetes neues Jahr mit einem herzlichen gleichberechtigten Miteinander. Und immer einen Engel an der Seite!
Wer war Jochen Klepper?
Jochen Klepper 1903 – 1942, ein deutscher Theologe, Schriftsteller und Journalist. Jochen Klepper wurde am 22. 3. 1903 in eine Pfarrerfamilie hineingeboren. Es war geplant, dass auch Jochen Klepper wie sein Vater Theologie studiert und Pfarrer wird. Er hat das Studium jedoch ohne Examen beendet. Vielfache gesundheitliche Probleme und seelische Konflikte waren die Ursache. Er war Theologe und wurde Journalist, Schriftsteller und Dichter. Jochen Klepper verfügte über eine große dichterische Begabung.
Jochen Klepper hat ca. 30 geistliche Lieder geschrieben, von denen 12 Lieder im derzeitigen ev. Gesangbuch Berlin-Brandenburg zu finden sind. Es war die Eigenart von Jochen Klepper, seinen Liedern einen Bibeltext voranzusetzen. Seine Lieder sind Schriftauslegungen in Liedform.
Zwei beachtliche Romane sind von ihm entstanden. 1933 erschien „Kahn der fröhlichen Leute“ und 1937 „Der Vater“. Der erste Roman beschreibt das Leben an und auf der Oder, das Lebensgebiet von Jochen Klepper in seiner Kindheit und Jugend. Nach der Vorlage des Romans von Jochen Klepper verfilmte die DEFA 1950 den Inhalt als Komödie. Der Film hatte mit mehr als 4 Mill. Zuschauern einen großen Erfolg.
Sein bedeutendster Roman wurde der „Vater“. In dem hervorragend recherchierten Roman beschrieb er den Konflikt des preußischen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I.(1688-1740) zu dem verschwenderischen Regierungsstils seines Vaters Friedrich I. (1657-1713). Der Soldatenkönig verfügte am Ende seines Lebens über wohlgeordnete Finanzen und eine Beamtenschaft, deren oberste Grundsätze Pflichttreue und Sparsamkeit waren. Jochen Klepper beschrieb im Bild des Königs, der sich als ersten Diener des Staates sah, ein Gegenbild zum Führerkult des Nationalsozialismus. Jochen Klepper bearbeitete in dem Roman auch den Konflikt zwischen dem Soldatenkönig und dessen Sohn Friedrich II. dem Großen (1712-1786) und seinen eigenen Vater-Sohn-Konflikt. Der Roman erschien im Februar 1937 im Buchhandel und wurde ein voller Erfolg. Kurz nach dem Erscheinen des Romans erhielt er Schreibverbot. Der Roman wird auch heute noch verlegt und gelangte u. a. als Lizenzausgabe in die DDR und konnte als Bückware gekauft werden.
Jochen Klepper wurde nicht alt. Am 11.12.1942 ging er mit seiner Frau und deren Tochter in den Freitod. Seine Frau war Jüdin. Er wurde ein Opfer des Rassenwahns, das Nazi-Regime wollte die Juden ausrotten. Seine Grabstätte ist in Berlin Nikolassee.