
Mick und der Wunschzettel,
eine Geschichte von Pfarrer Michael Dürschlag
Zum Hören und zum Lesen
In der Kita war alles ein bisschen kribbelig.
So wie Brausepulver im Bauch.
„Bald kommt der Advent!“, rief Caro schon morgens.
Alle wussten: Jetzt wird’s ernst.
Denn bald mussten die Wunschzettel irgendwie – irgendwohin – auf jeden Fall zum Weihnachtsmann.
„Per Post!“, sagte Mick sofort. Ganz klar. Das war schließlich Tradition. Bei ihnen zu Hause wurde der Zettel immer per Post zum Postamt „Himmelsforte“ geschickt - das war schon immer so und hatte bisher immer reibungslos geklappt
„Nee“, meinte Caro und malte ein riesiges pinkes Einhorn.
„Ich male alles. Mama schreibt die Wörter. Dann kommt der Zettel in meinen Stiefel. Am Nikolaustag. Der Nikolaus kennt den Weihnachtsmann. Irgendwie.“
Mick nickte. Das klang ziemlich schlau.
Dann sagte Amina, deren Eltern aus Usbekistan kamen – ganz ruhig, wie sie eben ist:
„Bei uns wird der Zettel verbrannt. Der Rauch steigt hoch. Und der Weihnachtsmann kann darin alles lesen.“
Mick bekam große Augen.
Das klang mutig.
Und ein bisschen nach Zauber.
Aber warum nicht ?
Er murmelte:
„Ich glaub… ich bleib lieber bei der Post.“
Am Abend setzte Mick sich an den Küchentisch.
Mama stellte eine Kerze hin, obwohl es noch nicht richtig dunkel war.
„So“, sagte sie, „jetzt erzähl mal. Ich schreibe.“
Mick dachte kurz nach.
„Ein Ritterhelm. Ein echter! Also… nur zum Aufsetzen. Nicht aus Metall.“
Mama lächelte beim Schreiben.
„Und… ein Baukran mit Magnet. Ein großer! Und ein Spiel, das heißt Monster-Alarm. Und ein Schlitten. Und Schneestiefel. Mit Fell.“
Mama schrieb alles auf. Ganz sorgfältig.
Manchmal strich sie ein Wort durch und schrieb es noch schöner hin.
Die drei riesengroßen Wünsche diktierte Mick ganz langsam.
Fast so, als wären sie Zaubersprüche.
Als sie fertig war, las Mama alles vor.
Langsam.
Wie eine Geschichte.
Mick hörte zu und bekam Gänsehaut.
Das war jetzt richtig.
Wirklich? Fragte Mama
Ja, antwortet Mick - so geht das!
Dann faltete Mama den Zettel ganz vorsichtig, steckte ihn in einen Umschlag und Mick malte außen ein kleines, rotes Herz hin.
„Damit der Weihnachtsmann weiss, dass die Wünsche von Herzen kommen!
Mama sah ihn an und sagte leise:
„Der ist schön.“
Am nächsten Morgen war der Umschlag weg.
„Hab ihn zur Post gebracht“, sagte Mama.
Mick grinste.
Wie jemand, der jetzt ein Geheimnis hat.
Ein paar Tage später wurde plötzlich alles anders.
Mama hatte rote Augen.
Papa fuhr sehr schnell mit dem Auto
Und niemand sagte, was los war.
Bis Mama dann doch was sagte.
„Opa musste ins Krankenhaus“, flüsterte Mama endlich.
„Er braucht Hilfe fürs Herz.“
Im Krankenhaus war alles hell und gleichzeitig ein bisschen kalt fand Mick.
Er hielt Mamas Hand.
Sie war warm, das war gut.
Dann kam Oma aus Opas Zimmer.
Ihr Mund lächelte ein bisschen.
„Er schläft jetzt“, sagte sie.
„Aber weißt du, Mick… er hat schon zweimal gegrinst. Einfach so. Im Schlaf.“
Mick riss die Augen auf.
„Echt jetzt?“
Oma nickte.
„So ein kleines, schiefes Grinsen. Wie früher. Als er dir heimlich Schokolade geben wollte und gesagt hat: ‚Aber psst.‘“
Da musste Mick selbst grinsen.
Als er ins Zimmer durfte, lag Opa da – mit Schläuchen und Pflastern.
Aber Oma hatte recht:
Sein Mundwinkel sahen so aus als würde da drin ein Witz warten.
Mick stellte sich ganz nah an Oma.
Und plötzlich war da ein Gefühl:
Nicht alles war verloren.
Am Abend saß Mick in seinem Zimmer.
Er dachte an den Wunschzettel.
Und an die acht Wünsche.
Die plötzlich gar nicht mehr so wichtig waren
Ein Wunsch war da plötzlich wie ein heller Punkt:
Opa soll wieder gesund werden!
Und plötzlich erschrak Mick.
Der Wunschzettel war doch schon weg.
Was, wenn der Weihnachtsmann das gar nicht wusste?
Opa soll wieder gesund werden.
Am nächsten Morgen nahm Mick ein neues Blatt.
Ohne Mama.
Er malte ein großes Herz.
Und diktierte für sich selbst, ganz leise:
„Ich tausche alles gegen Opa.“
Dann legte er den Zettel unter den Adventskranz.
Nicht richtig
Dann hinter die Heizung.
Nicht richtig
Dann in seine Sockenschublade.
Nicht richtig
Dann wieder zurück.
„Vielleicht… sieht der Weihnachtsmann ja alles“, flüsterte er.
Aber nichts fühlte sich richtig an.
Alles war zu groß, zu weit und
Zu schwer.
Nachmittags, nach der Kita stand Mick neben Mama, beim Plötzchenbacken in der Küche
Überall Mehlwolken.
Teig.
Sterne.
Zimt.
Aber Mick sagte lange nichts.
Dann kam es ganz leise:
„Mama? Kann man Wünsche eigentlich ändern… auch wenn der Zettel schon weg ist?“
Mama hielt inne.
Sie stellte den Schneebesen ab.
Ihr Gesicht wurde weich.
„Weißt du, Mick… Wünschen ist nicht wie Bestellen im Internet“, sagte sie.
„Wünschen ist mehr wie reden. Wie… hm… wie in der Kinderkirche, wenn Pastor Nolting sagt:
‚Du kannst mit Gott reden, auch wenn du kein Wort laut sagst.‘“
Mick sah sie an.
„So wie beten?“
Mama nickte.
„Ja. Nur leise im Herzen. Manche sagen Weihnachtsmann. Manche sagen Gott. Manche sagen Hoffnung. Aber du darfst wünschen. Immer. Auch später. Auch nochmal. Und nochmal.“
Mick dachte nach.
„Hört das jemand? Also… wirklich?“
Mama lächelte mild
„Ich glaube: Ja. Aber nicht so, dass wir alles bestimmen können. Manches liegt nicht in unserer Hand. Aber Wünschen hilft. Und liebhaben hilft auch.“
Dann nahm sie Mick in den Arm.
Ihr Schal roch nach Zimt und Vanille.Das war wunderbar
„Du darfst wünschen, was du möchtest, Mick. Immer.“ Flüsterte sie
Abends legte Mick seinen OPA soll gesund werden Herz Wunschzettel unter sein Kopfkissen und flüsterte in die Dunkelheit - ich wünsche mir, dass Opa wieder gesund wird -
Ein paar Tage später sagte Papa:
„Opa bekommt eine neue Herzklappe.“
Später als Mick Opa besuchen durfte zwinkerte Opa und flüsterte:
„ eine Herzklappe aus einem Schwein! Vielleicht grunze ich bald im Schlaf.“
Dann grunzte er etwas
Mick lachte.
Laut.
Zum ersten Mal seit Tagen.
Und Oma sagte , das kann ja was werden - du grunzt ja sowieso schon im Schlaf.
Da mussten sie alle lachen -
Und kurz vor Weihnachten stand Opa plötzlich wieder im Wohnzimmer.
Etwas blass.
Etwas vorsichtig.
Mit einer Decke über den Schultern.
Aber wieder da - Mick war so glücklich!
Rannte zu ihm und umarmte ihn so fest, dass Opa ächzte:
„Uff! Junge, mein Schweinchenherz! Ganz vorsichtig!“
Am Heiligabend lagen Geschenke unter dem Baum.
Schöne Sachen. Ritterhelm, Bagger das tolle Spiel - alles toll
Fast genau wie auf dem Wunschzettel.
Aber diesmal war es anders.
Nicht weniger.
Nur… richtiger.
Mick sah zu Opa.
Der saß im Sessel.
Mit Tee.
Und warmen Augen.
Da wusste Mick:
Das Wichtigste liegt nicht unter dem Baum.
Es sitzt hier.
Und atmet.
Opa grinste.
„Na, Mick? Hast du bekommen, was du dir gewünscht hast?“
Mick nickte.
Ganz fest.
„Ja. Alles.“
Und er meinte es genauso.
